Ultraleicht fliegen und UL Flugausbildung an Ferienflugschule in Lebrija bei Jerez de la Frontera. Wenn man mit UL in Wolken fliegt.
… zu Ihrer Sicherheit
Fünf Minunten Lesen könnte Ihr Leben retten.
Wie laufen typische Flugunfälle mit Sportflugzeugen ab, deren Hauptursache Fortsetzung des VFR-Fluges Einflug in schlechtes Wetter war?
Ein Beispiel mit mehreren Ergebnissen soll hier gezeigt werden. Es handelt sich um einen von mir unwesentlich modernisierten Text (damals gab es z. B. noch kein GPS, auf das hier hingewiesen wird) aus einer Flugsicherheitsmitteilung des Luftfahrtbundesamtes aus dem Jahre 1981, der FSM 81/03. Das Original gibt es auf der Website des Luftfahrtbundesamtes.
Das was im Folgenden beschrieben wird ist nicht wirklich Fiktion. Es handelt sich um Situationen, wie sie schon x-Mal aufgetreten sind. Manchmal ist es so gerade noch einmal gut gegangen. Meist jedoch führte es zu den hier beschriebenen Ergebnissen.
Nun gut (oder auch nicht) … der Pilot fliegt los. Manchmal hat er auch noch bis zu drei Fluggäste mit an Bord, die ihm voll vertrauen.
Das Wetter wird unangenehm. Die Flugsicht verschlechtert sich, es setzt Regen ein. Die Strähnen der fließenden Wassertropfen auf der Frontscheibe machen das Hinausschauen nicht einfacher. Man kämpft gegen Schwindelgefühle, die daurch entstehen können und schaut zur Ablenkung häufiger auf die Instrumente. Die Wolkenuntergrenzen sinken. Man muß mit dem Flugzeug immer tiefer fliegen. Das GPS zeigt den Weg.
Jetzt wäre noch Zeit, einen mutigen Entschluß zu fassen: umzukehren.
Hat man den Mut vor dem bisschen Wetter zu kapitulieren? Beziehungsweise: es wird „da vorne“ sicher wieder besser.
Also wird der Flug wie geplant fortgesetzt. Die Wolkendecke schließt sich immer weiter. Die Untergrenze sinkt weiter herab. Es wird immer diesiger. Die Wolken werden schwärzer. Die ersten Wolkenfetzen huschen an der Fläche vorbei. Noch kann man den Boden sehen.
Vielleicht jetzt umkehren?
Ein Blick zurück: Hinten ist „alles dicht“. Blick nach vorn: dort jetzt auch.
Sicherheitslandung? Mit allem Risiko? Den Unannehmlichkeiten danach: Polizei, Grundbesitzer, Wiederstartgenehmigung usw.? Weiterfliegen.
Die Sicht wird noch schlechter. Sind das überhaupt noch 1,5 km? Oder eher 0,5? Instrumente ok? Das Horizontsymbol des künstlichen Horizonts hängt links 'runter. Das heißt eigentlich Rechtskurve, aber die „beiden unteren Backen“ sagen, es geht links herum.
Da ist wieder Bodensicht! Komisch, die rechte Fläche ist ja doch unten! Man sollte doch mehr den Instrumenten trauen!
Jetzt ist die Sicht fast ganz weg. Eine eher undurchsichtige weiße, irgendwie statische, aber doch fließende Masse um das Flugzeug herum. Aber man hat ja noch die Instrumente.
Kann der Pilot danach fliegen? Kann er das auch routinemäßig?
An dieser Stelle muß diese fiktive Reportage unterbrochen werden. Jetzt gabeln sich die Wege. Zwei unterschiedliche Entwicklungen sind möglich.
Zunächst die eine:
Es regnet immer stärker. Der Pilot traut seinen Instrumenten. Er hat das Talent und hält exakt die Fluglage. Er geht vielleicht noch etwas tiefer, um noch Reste vom Bodenkontakt zu behalten. Steigt das Gelände schon an? Es muss doch gleich der Höhenzug kommen! Mit 200 km/h dem Tal entlang! Die Sicht wird immer schlechter. Plötzlich ein Krachen und Splittern.
Dann Ruhe, für immer …
Die Unfalluntersuchung stellt fest, der Aufprall erfolgte in kontrollierter Fluglage am Hang. Alle Systeme, einschließlich Pilot waren bis zum Aufprall voll funktionsfähig. Der Aufschlag kam überraschend.
Sollten einige Personen wider erwarten bei der Wucht des Aufpralls verletzt überlebt haben: die Überlebenschance ist sehr gering. Der Unfall in dünn besiedeltem Gelände wird selten durch Zeugen am Boden bemerkt. Die Suche nach dem irgendwann als vermißt gemeldeten Flugzeug(-wrack) wird durch die schlechten Sichtverhältnisse am Boden und erst aus der Luft erschwert bis verunmöglicht.
Die zweite mögliche Entwicklung:
Es regnet immer stärker. Der Sichtkontakt zum Boden nimmt zunehmend ab. Der Pilot weiß, dass bald der Höhenzug kommen muss. Er ahnt die Gefahren eines Aufpralls am Hang. Er zieht am Knüppel/ Steuerhorn. Uff – voll in die Wolken!
Zusammenstoß? Bei dem Wetter fliegt sowieso keiner!
Instrumente? Hat er IR (Instrumentenflug)-mässig.
Aber fliegen danach? Die Zeiger tanzen hin und her. Wenn einer sich nach Steuerkorrekturen beruhigt hat, tanzen zwei andere um so mehr.
Der Streß nimmt zu.
Der Motor heult auf. Das muss Sinkflug sein – ziehen – ziehen. Die Überziehwarnung blökt durch's Cockpit – Strömungsabriß.
Komische Beschleunigungen. Wo ist oben? Wo ist unten? Der künstliche Horizont spielt verrückt. Ein Schlag am Knüppel/ Steuerhorn. Es zieht nach links. Hat sich etwa das Querruder abmontiert? Noch bevor der Gedanke zur tödlichen Erkenntnis werden kann kracht es. Der Gedanke wird nie zu Ende gedacht …
Vermerk im Unfallprotokoll: Unkontrollierte Fluglage durch räumliche Desorientierung mit Strukturbruch im Fluge oder unkontrollierter Aufschlag am Boden.
Sollten Sie jemals mit dem Gedanken spielen und versucht sein bei zweifelhaftem Wetter zu starten und sollten Sie keine Übung im Instrumentenflug haben: lesen Sie nach dem obigen den folgenden Text.
Wenn Sie sich entschließen zu starten und Sie die Erdsicht verlieren, dann können Sie bei 178 Sekunden ab diesem Zeitpunkt Ihren Countdown beginnen.
Wie lange kann ein Pilot ohne Instrumentenflugtraining überleben, wenn er in schlechtes Wetter einfliegt und keine Erdsicht mehr hat?
Forscher der Universität Illinois haben eine Antwort auf diese Frage gefunden. Zwanzig „Versuchskaninchen“ flogen in simuliertes Instrumentenwetter ein. Alle gerieten in eine „Todesspirale“, bzw. „fuhren Achterbahn“ mit anschließendem Absturz.
Die Ergebnisse unterschieden sich nur in einem Punkt: die Zeit, bis das Flugzeug ausser Kontrolle geriet. Dieser Zeitraum reichte von 20 Sekunden bis 480 Sekunden. Der Durchschnitt lag bei 178 Sekunden – an 3 Minuten fehlten also 2 Sekunden.
Das tödliche Szenario:
Der Himmel ist bewölkt, die Sicht ist mies. Die vorhergesagten 5 Meilen Sicht sehen eher wir 2 Meilen aus. Sie können die Wolkenhöhe nicht einschätzen. Der Höhenmesser zeigt 1.500ft an. Die Karte und das GPS sagen Ihnen, dass das Gelände vor Ihnen auf 1.200ft ansteigt. In der Nähe ein Luftfahrthindernis, ein Turm oder mehrere. Mit dem GPS kann man das aber ja locker umfliegen! Immerhin, Sie sind schon bei schlechterem Wetter geflogen. So kämpfen Sie sich vorwärts. Der Blick mehr auf das GPS gerichtet, als nach draußen. Unbewußt ziehen Sie ein wenig, um über die keineswegs nur in der Einbildung existierenden Türme hinwegzukommen und sind auf einmal ohne Vorwarnung „in der Suppe“. Sie spähen so intensiv in den milchigweißen Nebel, dass die Augen brennen.
Sie kämpfen gegen das komische Gefühl im Magen an. Sie schlucken, aber der Mund ist trocken. Jetzt wird Ihnen klar, dass Sie auf besseres Wetter hätten warten sollen. Die Verabredung war ja wichtig, der Termindruck war groß, morgen, am Montag muss man wieder auf der Arbeit sein. Eine innere Stimme sagt Ihnen: „Das war's – jetzt ist alles aus…!“
Ab jetzt haben Sie noch 178 Sekunden zu leben!
Alles weisse und graue Masse um Sie herum. Sie wissen nicht wo oben und unten sind. Sie haben das Gefühl, Ihr Flugzeug fliegt ganz ruhig, aber der Kompaß dreht langsam. Sie geben ein bißchen Seitenruder und ein bißchen mehr Druck auf den Knüppel/ das Steuerhorn, um die Drehung zu stoppen. Aber Sie haben das Gefühl, dass dies unnatürlich ist. Sie führen die Steuerorgane in die ursprüngliche Stellung zurück. Das ist schon besser! Aber der Kompaß dreht sich nun ein bißchen schneller. Die Fahrtmesseranzeige steigt leicht an. Sie schauen hilfesuchend auf das Instrumentenbrett, aber was Sie da sehen sieht sehr ungewöhnlich aus. Sie sind sich sicher, dass die Sicht nur vorübergehend schlecht ist. Gleich wird es wieder besser. In spätestens einigen Minuten sind Sie da wieder 'raus.
Nur einige Minuten haben Sie gar nicht mehr:
Ab jetzt haben Sie noch 100 Sekunden zu leben!
Sie schauen auf den Höhenmesser und bekommen einen Schreck. Sie sehen, dass die Höhe abnimmt. Sie sind nur noch 1.200ft hoch! Instinktiv ziehen Sie vorsichtig am Knüppel/ Steuerhorn. Aber der Zeiger am Höhenmesser wandert weiter zurück. Die Motordrehzahl ist nun im roten Bereich. Die Fahrtmesseranzeige ist nun auch schon an der oberen Grenze. Der künstliche Horizont hat eine überhaupt nicht mögliche Anzeige.
Ab jetzt haben Sie noch 45 Sekunden zu leben!
Sie schwitzen und zittern. Irgendetwas paßt mit dem Steuer nicht. Wenn Sie ziehen geht die Fahrtmesseranzeige über den roten Bereich. Sie hören, wie der Fahrtwind am Flugzeug reißt. Sie werden irgendwie leicht aus dem Sitz gehoben und irgendwie an die Bordwand gedrückt.
Ab jetzt haben Sie noch 10 Sekunden zu leben!
Auf einmal sehen Sie den Boden. Die Bäume rasen mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf Sie zu. Sie können den Horizont sehen – wenn Sie den Kopf weit genug drehen. Alledings auch in einem sehr ungewöhnlichen Winkel: Sie sind fast im Rückenflug! Sie öffnen den Mund, Sie wollen schreien – aber da haben Sie jetzt keine Zeit mehr dazu …